"Fuck Beauty!" - Interview mit Autorin Nunu Kaller
von Melanie Beran in Menschen und Philosophie

Warum fühlen sich Frauen so oft unter enormem Druck attraktiv sein zu müssen? Und vor allem, warum ist selbst die Yoga-Welt, in der es im Kern um Selbst-Akzeptanz gehen sollte, vor diesem Schönheits-Wahn nicht gefeit? Autorin Nunu Kaller versucht in ihrem neuen Buch "Fuck Beauty!" Antworten darauf zu finden.

Äußere "Schönheit" als höchstes Ziel

Immer mehr Frauen fühlen sich unwohl in ihrer Haut. Anscheinend finden sich gar nur 4 Prozent des weiblichen Geschlechts wirklich schön. Alle anderen haben einiges, manche sogar vieles, an sich auszusetzen. Auch in der Yogawelt ist der schöne Schein omnipräsent. Facebook und INstagram sind voll von Yoga-Selfies, eigenartigerweise aber nur von schlanken Yoginis in besonders herausfordernden Asanas. Wer kann sich am besten verbiegen? Wie schaut die optimale YogiNi-Figur aus? Stichwort: Yoga Bikini-Challenge oder Yoga zum Abnehmen. Wessen Yoga-Panty ist der letzte Schrei? All das kennt man normalerweise aus dem Showbusiness doch inzwischen lachen uns auch von den Covern der Yoga-Magazine nur noch Size-Zero-Models entgegen. Die "richtige" Figur, wie "frau" sie zu haben hat, ist Dauerthema - nicht nur in Frauenzeitschriften oder auf der Leinwand.

Dieser Trend zur Selbstoptimierung setzt Frauen oft unglaublich unter Druck. Auch Männern ist das natürlich nicht fremd, allerdings mehr in anderen Bereichen, als der körperlichen Schönheit. Viele Frauen laufen ihrem Optimalbild von sich selbst ihr Leben lang hinterher. Erst wenn sie 5 Kilo weniger (oder an der richtigen Stelle mehr) haben, wenn der Po knackiger ist, die Haut straffer, der Bauch flacher - erst dann würden sie wirklich glücklich sein. Eine "Never-Ending-Story". Dabei geht es doch im Yoga in Wirklichkeit um das Bild, das wir uns selbst von uns schaffen - darum, wie wir uns selbst sehen (wollen).

 

"Zu viel? Zu laut? Zu plump? Zu dick?"

Die Autorin Nunu Kaller weiß, wovon sie spricht. Sie hat sich selbst nie besonders wohl in ihrer Haut gefühlt. "Zu viel? Zu laut? Zu plump? Zu dick?" sind Fragen, die sie selbst lange beschäftigt haben. Nachdem einem aufrüttelnden Erlebnis auf den Philippinen, wo sie anstatt ihr Leben im Paradies zu genießen, ständig über den Zustand ihres Bauches nachgedacht hat, war es für sie genug. Sie begann sich mit der Frage zu beschäftigen, warum sich immer mehr Frauen unwohl in ihrer Haut fühlen.

Sie beschreibt sich zwar selbst nicht als Yogini, wie Ihr im Interview nachlesen könnt, sie hat sich aber in ihrem Buch "Fuck Beauty" mit dem gängigen Schönheitsideal auseinandergesetzt. Wo kommt es her? Was tut es mit uns? Wie können wir uns davon lösen und endlich ein entspannteres und glücklicheres Leben mit brennenderen Fragen als "Wie werd ich endlich so wie ich nie war?" führen. Ich habe mich mit ihr unterhalten und hoffe, Sie hat die Antworten für uns.

 

 

1. Ich hab diese "Initial-Zündungs-Begebenheit" auf den Philippinen gelesen. War das der letzte Anstoß, der Dich zu Deinem Buch inspiriert hat oder gab es davor schon viele Kleinigkeiten, die Dich in diese Richtung sensibilisiert haben?

Nein, es war wirklich genau dieser Moment ein Schlüsselmoment, davor war nur jahrelanges Hadern. Eigentlich erschreckend, oder?

2. Wer ist schuld dran? Ich weiß, die Frage ist plakativ und alles ist vielschichtig, aber jede/r hat eine Meinung. Also wo liegt Deiner Meinung nach der Hase im Pfeffer begraben?

Es gibt sehr viele Gründe, die ich versuche, in Fuck Beauty! übersichtlich aufzufächern (und manche hab ich wahrscheinlich selbst trotz aller Recherche noch gar nicht entdeckt). Das fängt natürlich bei dem Bild in den Medien, das uns vermittelt wird, an, geht hin zu industriellen Interessen, aber auch die Einstellung zu deinem Körper und deinem Aussehen, die dir als Kind beigebracht wurde, hat großen Einfluss. DEN EINEN Grund gibt es nicht.

3. Was glaubst Du, was überwiegt: Sehen Frauen sich anders, als sie tatsächlich aussehen? Also eine Art verfälschte Selbstwahrnehmung, wenn sie in den Spiegel blicken? Oder ist es der Vergleich mit anderen, der schmerzt?

Das kann man nicht allgemein beantworten. Ja, Frauen vergleichen (sich) mehr als Männer, und gehen evolutionsbiologisch begründet wahrscheinlich schneller in Konkurrenz zueinander. Aber es gibt auch ein Krankheitsbild namens Body Dysmorphia, in der man sich selbst falsch und verzerrt wahrnimmt. Bei der einen ist wohl das eine eher ein Auslöser, bei der anderen das andere. Ich denke, man kann da niemals alle Frauen oder alle Menschen über einen Kamm scheren, dazu sind wir wunderbarerweise viel zu individuell.

4. Was müsste sich verändern, damit Frauen sich selbst erstens mehr Akzeptanz schenken und zweitens erkennen, wie sie wirklich aussehen?

Einen allgemeingültigen Rat kann ich nicht geben, aber ich habe im Buch versucht, ein paar Tipps zu sammeln. An erster Stelle steht für mich Entspannung: Mir hat sehr geholfen, mich nicht nur mit den Gründen für diesen Schönheitswahn zu beschäftigen, sondern auch festzustellen, dass es zu jedem Zeitpunkt des Tages wichtigeres gibt als meinen Bauchumfang. :) Ebenfalls ein ganz einfacher und doch für mich revolutionärer Gedanke für mich war: Mein Körper ist nicht nur zum Aussehen und zum Abnehmen da. Mein Körper trägt mich durchs Leben, funktioniert wie eine gute Maschine und muss entsprechend gepflegt werden. Mir selbst mit mehr Liebe und Fürsorge zu begegnen und mich darum zu kümmern, meinen Körper gesund zu halten, hat mich weggeführt von dem "Ich muss Sport machen, weil ich abnehmen muss"-Gedanken. Diese Selbstakzeptanz ist unvergleichlich schöner als durchs gesamte Leben zu gehen, während man einen Teil von sich selbst ablehnt und hasst. Oder? :)

5. Beim Yoga geht es in erster Linie um das Erkennen des inneren Selbst, keineswegs um das Äußere. Dennoch gibt es auch in dieser Welt sehr oft ein Vergleichen, das Streben nach einem schönen und leistungsfähigen Körper, den Ehrgeiz, jede Yogapose, und sei sie noch so weit von den eigenen Möglichkeiten entfernt, zumindest ein Stückchen tiefer, besser, schöner zu machen. Es gibt ganze Yoga-Kleidungs-Industrien, die darauf ausgelegt sind, Size Zero zu betonen, mal ganz von der Nachhaltigkeit abgesehen. Warum glaubst Du, ist dieser Drang nach Schönheit und Perfektion so fest in uns verankert, dass wir selbst auf dem Weg nach innen immer wieder in diese äußere Falle tappen?

Gute Frage. Ich hab da so eine Theorie, aber das ist sicher nur eine von vielen Betrachtungsweisen, möcht ich vorausschicken: Es entwickelt sich ein Trend. Der Trend zu Yoga ist für mich völlig nachvollziehbar: Wir sind kollektiv überfordert und gestresst (wenn ich es mir so durchüberlege, kenne ich eigentlich fast nur Menschen, die entweder ausgelaugt sind von zuviel Arbeit oder aufgrund einer prekären Lebenssituation ohne Arbeit permanent gestresst sind). Also gibt es diesen Trend zu Langsamkeit, bewusstem Lebensstil, Achtsamkeit als Gegenreaktion darauf - und da passt Yoga sehr gut rein. Doch wie dem so ist, sobald Trendforscher ein Thema entdecken, wird dieses industriell ausgeschlachtet - und durch Marketing an die Spitze getrieben. Im Werbebereich funktioniert sehr gut, sich auf diesen Vergleichsimpuls zu stürzen ("wenn du dieses Produkt kaufst, stichst du heraus und bist besserschönertoller als die andere") - also setzt man es absurderweise auch im Yogabereich ein. Und schon wird Yoga zu einem Tool, sich von anderen abzuheben. Bescheiden, oder?

6. Bist Du eine Yogini?

Leider nein. Immer wieder nehm ichs mir vor und dann denk ich mir nach zwei Stunden: Nö, ich komm nicht rein. Ich empfinde die Faszination nicht - auch wenn ich an FreundInnen merken, wie gut es Körper und Seele tut. Vielleicht sollt ich mal geduldiger werden....

7. Wirklich viele unserer YogaMeHomies sind Frauen - was würdest Du Ihnen mit auf den Weg geben?

Ihr habt bereits verstanden, wie wichtig es ist, den eigenen Körper gut zu behandeln. Weiter so :)

Liebe Nunu, Danke für dieses Interview.

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Nunu Kallers Buch "ist im Kiwi-Verlag erschienen und Ihr könnt es z.B. hier bestellen: "Fuck Beauty!"

Und wenn Ihr noch mehr von und über Nunu Kaller erfahren wollt, schaut auf ihrem Blog ichkaufnix.com vorbei. Sie hat nämlich auch schon vor "Fuck Beauty!" regelmäßig gebloggt und daraus ist ihr erstes Buch erschienen "Ich kauf nix". Das Thema war damals, ein ganzes Jahr nichts zu kaufen.

Gewinnspiel

Wir verlosen zwei Exemplare von Nunu Kallers neuem Buch unter allen, die hier oder auf Facebook einen Kommentar hinterlassen. Beantworte uns die Frage:

Was machst Du, um dem Schönheitswahn zu entkommen?

(Gewinnspiel läuft bis 12.3.2018)

 

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Melanie Beran

Melanie Beran ist Mitarbeiterin der YogaMeHome-Redaktion und Ernährungsberaterin nach Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM). Wenn Du mehr über Ernährung nach TCM erfahren möchtest, schau mal auf ihrer Website vorbei: Seelenküche

 

Kommentare 

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Nathalie Julia

...einfach du selbst sein...denn fühle du dich in dirwohl, dann strömt das auch nach Außen und bringt ein Straheln in die Welt...

Verfasst am 07.03.2018 um 19:32

Nathalie Julia

...einfach du selbst sein...Denn fühlst du dich in dir wohl, dann strömt das auch nach Außen und bringt ein Strahlen in die Welt... sorry Kleinkind hat beim ersten Versuch mitgetipselt. (:

Verfasst am 07.03.2018 um 19:44

Petra

Mit Gelassenheit und Freude be-merken wie viele unterschiedliche und wunderschöne Frauen es auf dieser Welt gibt.

Verfasst am 08.03.2018 um 18:32

Natascha

Schön, dass sich YogaMeHome diesem Thema widmet! Während frau bei anderen online Yoga Anbietern in den Beschreibungen der Videos mit besonderer Sorgfalt darüber informiert wird, welcher (Yoga-) Modehersteller die auffallend attraktive Yogini ausgestattet hat. Bund bewegte Werbebanner bringen einen völlig aus der Ruhe und verwirren auf der Suche nach den eigentlichen Bedürfnissen.
Yoga endet nicht auf der Matte. Aber auch gesellschaftspolitische Einflüsse machen vor dem Mattenrand nicht halt. Eine kritische Auseinandersetzung mit ihnen hilft uns, zu uns selbst zu finden.

Verfasst am 10.03.2018 um 14:38

Carmen

Thema ist wichtig aber muss es diese Ausdrucksweise sein? Das f.. Wort Könnte sicher durch gewaltfreie und dennoch klare Sprache ersetzt werden.

Verfasst am 17.03.2018 um 19:48

Woman

Auch im Bereich Yoga geht es zunehmend nur mehr um Oberflächlichkeit. Werbung und Konsum überschatten die Essenz: Yoga übst Du auf Deiner Matte oder auch ohne (dort wo keiner Dein cooles Outfit und Deine akrobatischen Übungen sieht) und beweist Du im Leben (da wo es nicht um Bestätigung und Erfolg geht -sondern nur um Dein Herz)!

Verfasst am 20.05.2018 um 16:54

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