"Machen statt reden!" - Interview mit citizen2be-Gründerin
von Melanie Müller (Gastautorin) in Inspiration und Menschen

Bettina Schuler (im Bild ganz links neben ihren Mitstreiterinnen) ist Journalistin, Autorin und Yogalehrerin in Berlin. Seit 2014 gibt sie ehrenamtlich Yogaunterricht für geflüchtete Frauen. Nun hat sie eine gemeinnützige Organisation namens „citizen2be“ gegründet und sammelt in einer Crowdfunding-Kampagne für ein wunderbares Projekt. Wir haben sie gefragt, worum es dabei geht und wie man helfen kann.

Worum geht es bei Citizen2be?

Ich habe citizen2be 2016 gegründet um mich für die Integration von Menschen, die aus religiösen, politischen, ethischen Gründen oder qua ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Veranlagung verfolgt werden, einzusetzen.

Was ist das Ziel deines Crowdfunding-Projekts und worin wird das Geld konkret investiert?

Ich möchte mit dem Geld gerne einen Ort der Geborgenheit in Berlin schaffen. Nicht irgendwo weit draußen, sondern mitten im Herzen der Stadt. Dort soll einerseits Yoga-Trauma-Therapie für Geflüchtete angeboten werden. Andererseits möchte ich auch den Raum öffnen dafür, dass die Geflüchteten sich einbringen und z.B. Kurse anbieten können. Meist entsteht der Eindruck, dass es nur darum geht, was wir Deutschen geben können. Aber in Wahrheit können wir von den Geflüchteten auch ganz viel empfangen und sie als Bereicherung verstehen. Ganz konkret geht es darum, mit dem gesammelten Geld die Miete für diesen Raum ein Jahr lang zu bezahlen. 20.000 EUR – das hört sich viel an. Aber ein gewerbliches Objekt mit zwei Räumen mitten in Berlin... da ist man mit Miete und Kaution schnell bei dieser Summe. Alle Arbeit, die wir dort leisten, ist ehrenamtlich.
(Anm. das Crowdfunding-Projekt ist bereits abgeschlossen. Für direkte Spenden siehe Ende des Artikels)

Du unterrichtest geflüchtete Frauen und hast ein Buch über deine Erfahrungen geschrieben. Wieso liegt dir das Thema so am Herzen?

Ich habe lange überlegt, was ich tun könnte. Irgendwann wollte ich nicht mehr nur vor dem Fernseher sitzen, den Kopf schütteln und murmeln: „Da muss doch etwas gemacht werden.“ Zunächst dachte ich an Deutschunterricht oder daran, Geflüchtete auf ihren Amtswegen zu begleiten. Aber dann wurde mir klar, dass ich als Yogalehrerin etwas anderes anzubieten habe, was auch wichtig ist: Ich kann den Menschen dabei helfen, wieder bei sich selbst anzukommen.

Brauchen Geflüchtete nicht dringender Kleidung, Wohnraum und Geld – als Yogaunterricht? Warum ist das so wichtig?

Um die Basics kümmert sich – gottseidank – der Staat einigermaßen. Aber diese Menschen haben auf ihrer Flucht oft nicht nur ihr Zuhause und ihren Besitz verloren, sondern auch sich selbst. Ich bin überzeugt, dass sie nur dann in unserer Gesellschaft wirklich ankommen und sich etwas aufbauen können, wenn sie auch wieder bei sich selbst ankommen. Yoga ist dazu gut geeignet, weil es universal ist und auch gut über Sprachbarrieren hinweg vermittelt werden kann.

Worum geht es noch bei dem Projekt?

Es geht auch darum, Begegnungen zu ermöglichen: mit anderen Geflüchteten, aber auch mit Deutschen. Meiner Erfahrung nach wollen die Menschen in Kontakt kommen – aber das ist gar nicht so einfach. Deshalb möchte ich neben den Yogakursen für traumatisierte Geflüchtete auch offene Klassen anbieten, in die jeder kommen kann. Vielleicht kann man auch danach bei einer Tasse Tee zusammensitzen und etwas Deutsch üben. Vielleicht entstehen Bekanntschaften, Freundschaften oder es findet sich ein Job. So können die Menschen hier im Kiez wirklich ankommen und haben eine Art Zuhause im öffentlichen Raum, wo sie hingehen können, um Kontakt und Unterstützung zu finden. Mein Traum ist, dass dann auch irgendwann Arbeitsplätze entstehen und die Geflüchteten sich um diesen Ort zukünftig selbständig kümmern. Zudem würde ich gerne Kochkurse, Diskussionsabende und verschiedene Veranstaltungen organisieren, bei denen wir die vielen Missverständnisse, die es z.B. rund um den Islam gibt, abbauen können. Ich würde auch das Flüchtlingsthema gerne positiver besetzen. Alle reden immer von der Flüchtlingskrise und schüren damit in unserer Gesellschaft, die durch die Wirtschaftskrise, den Neokapitalismus und draus entstehenden täglichen Konkurrenzkampf sowieso schon komplett verunsichert ist, nur noch mehr Ängste. Und drängen die Menschen im schlimmsten Fall in die Arme von Rechtspopulisten, die solche Ängste nur allzu gern für ihre Zwecke ausnutzen. Dabei sehe ich den Zustrom der Flüchtlinge nicht als Krise, sondern als Chance unsere Gesellschaft, mit der wir alle schon lange sehr unzufrieden sind, zum besseren zu verändern. Wir müssen diese Chance einfach nur noch ergreifen und für die Gestaltung einer besseren Zukunft nutzen.

Wieviel Unterstützung kommt aus der Yogaszene?

Von meinem Yogastudio – Jivamukti Berlin - bin ich großartig unterstützt worden und darf dort kostenlos Geflüchtete unterrichten. Auch von manchen Firmen wie OGNX oder Jade Yoga kam Hilfe. Aber es gibt auch diejenigen, die nicht verstehen, dass es bei diesem Projekt nicht um mich geht, sondern um die Sache. Oder Menschen, die abwinken, wenn ich sie bitte 10 EUR zu spenden – aber dann gerne 8 EUR für ihren Smoothie ausgeben. Leider habe ich den Eindruck, dass manche lieber auf ihrer Matte für den Weltfrieden chanten als sich wirklich aktiv um eine gesellschaftliche Veränderung zu bemühen. Aber Yoga heißt für mich auch, Empathie und Achtsamkeit gegenüber anderen zu entwickeln – anstatt sich nur auf sich selbst zurückzuziehen und an der eigenen Selbstoptimierung zu arbeiten.

Noch etwas, das du dringend loswerden willst?

Ich würde mir wünschen, dass die Menschen anstatt immer nur über Veränderung zu reden und sich über die Umstände zu beschweren, einfach anpacken und ihren Teil dazu beitragen. Machen anstatt reden, so lautet meine Devise. Es stimmt nicht, dass wir kleine Rädchen im Weltgefüge sind, die nichts verändern können. Selbst, wenn du nur in deiner unmittelbaren Nachbarschaft aktiv wirst, dann ist das schon viel und verändert etwas.  

 

Jetzt aktiv werden!

Wie kannst Du helfen? Am Besten durch eine direkte Spende, damit Citizen2be weiterhin Therapueten bezahlen kann. Mehr über Citizen2be

Und hier das Buch von Bettina Schuler:

„Norahib bikom heißt willkommen – Von ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe, einer syrischen Familie und mir. Eine Freundschaftsgeschichte.“,

 

Bettina Schuler auf YogaMeHome

Seit 2018 ist Bettina Schuler auch Lehrerin hier auf YogaMeHome.

 

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Melanie Müller (Gastautorin)

Melanie Müller ist freie Journalistin und Yoga- und Achtsamkeitslehrerin in Salzburg. Den Kontakt zu ihr findest Du über ihre Website: derachtsameweg.com

Kommentare 

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Claudia

Was für eine wundervolle Idee!

Verfasst am 05.12.2018 um 07:23

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