Zeig dem November wo Dein Lächeln hängt!
von Stephanie Schönberger in Inspiration

„Zeig dem November wo Dein Lächeln hängt!“ Was für ein großartiges Motto ist das denn für die neuen „21days of OM“ von YogameHome, dachte ich mir. Dem November das Lächeln zeigen. Diesem oft trüben, grauen, kalten Monat, der zuverlässig so vielen Menschen immer wieder aufs Gemüt schlägt.

Ich gehöre auch dazu.

An manchen Tagen reicht ein Blick aus dem Fenster und ich möchte am liebsten die Decke wieder über den Kopf ziehen, liegenbleiben, so lange, bis das Wetter wieder besser ist. Weniger nebelig. Weniger nass und klamm. Die Bereitschaft zu lächeln und den „shiny happy people“-Mantel anzuziehen, kann dann für einen Sommer- und Sonnenmenschen wie mich eine echte Herausforderung werden.

Haben Yogis immer gute Laune?

Aber: Darf ich das eigentlich? Noch dazu als Yoga Praktizierende? Darf ich nicht gut gelaunt sein? Nicht der Welt auf allen sozialen Netzwerken und Kanälen zuposten, auf englisch natürlich, wir sind schließlich so international: „I am so grateful for my life“ und dass mein Leben „a bliss“ ist, also reine, pure Glückseligkeit? Sollten wir als Yogi*nis denn nicht immer vorbildlich ausgeglichen sein und müssen wir befürchten, auf unserem Highway zur Erleuchtung wieder zurück auf Start zu fallen, wenn uns das Dauerlächeln einmal vergangen ist?

Mir persönlich gelingt das mit dem Lächeln, nicht jeden Tag. Manchmal ist das Herz einfach zu schwer, aus welchen Gründen auch immer. Denn tatsächlich ist das Leben ja nicht immer nur Sonnenschein. Wer etwas anderes behauptet, der hat in meinen Augen den Bezug zur realen Welt verloren, in der wir halt leben. Man muss nur mal einen Blick aus dem Fenster werfen, um sich der berühmten Launen des Wetters bewusst zu werden. Zurückhalten lässt sich eine Gewitterfront genauso wenig, wie wir den Regenschauer unterdrücken können. Wir können es nicht ändern, also müssen wir uns auch nicht dagegen wehren oder dagegen ankämpfen. Wir können aber lernen, damit umzugehen. Im Yoga-Sutra heißt es übrigens sinngemäß: „Alles, was ist, hat seinen Sinn.“ Nichts ist also ohne Wert oder Bedeutung. Auch nicht schlechte Launen oder eine gepflegte Melancholie. Ist das nicht beruhigend? Ich glaube darum auch, dass wir es uns erlauben dürfen, einmal nicht zu lächeln und ich denke, der Erleuchtung wird das, solange das Stimmungstief kein chronischer Zustand ist, keinen Abbruch tun. Ich wage sogar zu behaupten: Im Gegenteil.

Satya, die Ehrlichkeit

Wer zu den Auf- und Abs seiner Launen steht, ist ehrlich und wahrhaftig. Ehrlichkeit, Patanjali nennt sie in seinem Yoga-Sutra „Satya“, ist ein wichtiger Bestandteil des berühmten achtgliedrigen Pfades, der uns zu unserem inneren Frieden, der vollkommenen Erkenntnis, führen möchte. Die Melancholie und die miese Stimmung zu negieren, wäre für unsere spirituelle Entwicklung also genauso wenig dienlich, wie sie zu unterdrücken. Unterdrückung ist schließlich immer mit Kraft und Gewalt verbunden, um etwas, was als störend empfunden wird, an seinem Wirken, Erscheinen oder Auftreten zu hindern.

Unterdrückung ist das Gegenteil von Ahimsa, der Abwesenheit von Gewalt, und Patanjalis erster Empfehlung für ein Leben gemäß seines achtgliedrigen Pfades.

Natürlich fördert es die allgemeine gute Stimmung, der Welt mit einem Lächeln zu begegnen. Denn, so lautet ein schönes Sprichwort: „Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück als Glück.“ Allerdings sollte das Lächeln, das man aussendet, von Herzen kommen, damit es berühren und glücksbringend wirken kann.

Die Frage, die ich mir immer stelle, wenn mir schon beim Aufwachen klar wird, dass der Tag eine eher schwere Partie wird, das Bedürfnis zu lächeln einen weiten Bogen um mich macht und ich darum eben kein ehrliches Lächeln aussenden kann, ist: Wie gehe ich damit um? Denn wie schnell vermiest man doch mit seinem eigenen Down anderen die Laune oder zieht sie mit ins eigene Stimmungstief.

Miese Laune, was jetzt?

Auch hier, finde ich, gibt uns Patanjali einen guten Rat, wenn er, etwas salop formuliert, sagt: „Versetze dich in dein Gegenüber hinein und überlege, welche Wirkung dein Handeln auf andere hat.“ Außerdem hilft es weiter – wie eigentlich immer – ehrlich zu sein. Die Menschen, mit denen wir viel zu tun haben, zu warnen, ihnen beispielsweise zu sagen: „Vorsicht. Mir ist heute leider ein Läuse-Armee über die Leber gelaufen.“ Oder: „Ich finde heute alles sehr anstrengend. Hat mich dir/euch aber nichts zu tun.“ Und wenn wir weniger mitteilungsfreudig sind, dann sollten wir in Gesellschaft zumindest versuchen, Abstand von allen Stinke-Stiefel-Aktionen zu nehmen. Ahimsa. Ihr wisst schon. Denn die Laune-Verpester sind so anstrengend und unnötig wie all die Dauergrinser, die auch in den unpassendsten Situationen empathiebefreit empfehlen: „Hey, nimms nicht so schwer. Lächel doch einfach wieder! Dann wird alles leichter.“

Das Helle im Dunklen

Außerdem: Unser Leben braucht auch Schattenseiten. Stellt euch mal vor, was passieren würde, strahlte die Sonne 24 Stunden am Tag vom Himmel. Jahr ein, Jahr aus. Irgendwann wäre alles verbrannt, nichts könnte mehr wachsen und gedeihen. Die beruhigende Nacht würde uns fehlen, mit ihren Phasen der Regeneration und der Stille. Warum nutzen wir also nicht die Phasen, in denen uns nicht nach Lächeln zumute ist, um Innezuhalten, zu reflektieren, beispielsweise was die Ursache für das Tief sein könnte. Oder, um uns zu beobachten, wie wir mit dem Tief umgehen, wie es sich anfühlt, wie es sich auf uns auswirkt, wie wir es ertragen und damit umgehen können. Yoga, das wird leider oft vergessen, ist in seiner ursprünglichen Form ein Weg der Selbsterkenntnis und uns erkennen werden wir nur, wenn wir uns studieren und beobachten. Wohlwollend und mit Gleichmut. Das wäre zumindest von Vorteil.

Alles kommt, ist da und vergeht

Das Motto: „Dem November zeigen wo das Lächeln hängt“, ist für mich darum auch eine Aufforderung, mich wahr und ernst zu nehmen. Zu meinen Stimmungslagen zu stehen. Sie, solange sie nicht pathologisch sind, wertungsfrei zu akzeptieren, also auch kein schlechtes Gewissen zu haben, dass mir als Yogi*ni heute eben mal kein Lächeln auf den Lippen liegt. Ich weiß ja, dass die einzige Konstante in unserem Leben die Veränderung ist. Alles kommt, alles ist da, alles geht. Und so ist das leider auch mit dem Lächeln, genauso aber auch mit der miesen Laune. Ist das nicht schön?

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Stephanie Schönberger

Stephanie Schönberger ist Yogalehrerin, Autorin und Historikerin. Sie schreibt unter anderem für Magazine wie Yoga Aktuell oder Yoga Journal. Ihr Yoga-Studio befindet sich in Kaufbeuren, Bayern. Hier findest Du den Weg zu Stephanie: 8sam-yoga.de

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