Der Affengott Hanuman und seine sieben Qualitäten
von Birgit Pöltl in Philosophie

Der Affengott Hanuman ist in der hinduistischen und yogischen Mythologie die Repräsentanz der bedingungslosen Liebe und Hingabe an König Rama und seine Gemahlin Sita. Seine Geschichte wird im Ramayana („Gang Ramas“) erzählt, das neben der Bhagavad Gita das zweite große Epos Indiens ist.

Die Geschichte von Hanuman

Rama, der eigentliche Kronprinz wird durch intrigantes Eingreifen seiner Stiefmutter für 14 Jahre in den Wald verbannt. Währenddessen wird Bharata, sein Halbbruder und Sohn der Stiefmutter, zum König gekrönt. Im Wald verrichtet Rama, begleitet von seiner wunderschönen Frau Sita und seinem Bruder Lakshmana, zahlreiche gute Taten und vernichtet Dämonen und Ungeheuer.

Den Dämon Ravana kann er allerdings nicht bezwingen. Dieser entführt mit Hilfe einer List Ramas Frau Sita und raubt ihm seine Liebe des Lebens und damit auch Glück und Freude. In seiner grenzenlosen Verzweiflung über diesen Verlust wendet sich Rama an Hanuman, den General des Affenheeres. Hanuman, der als Verkörperung des hingebungsvollen Dieners mit grenzenloser Loyalität und übermenschlicher Kraft gilt, vollbringt in seiner grenzenlosen Hingabe das Unmögliche. Er macht Sitas Aufenthaltsort auf Sri Lanka ausfindig, wo sie vom Dämon Ravana gefangen gehalten wird. Ohne über die (Un-)Möglichkeit nachzudenken, nimmt Hanuman Anlauf und springt mit einem Satz von Indien nach Sri Lanka, um Sita zu befreien.

Was will uns diese Geschichte sagen?

Ich denke, jeder von uns hat in seinem Leben schon einmal Verlust erlebt oder zumindest Momente, in denen wir eine große Lücke, Leere und das Gefühl der Getrenntheit wahrgenommen haben. Wie auch in dieser großen Geschichte des Ramayana ist unser Leben nicht berechenbar und auch nicht immer verständlich – manchmal leider, viel öfter aber Gott sei Dank. Es bleibt rätselhaft und unbeständig.

Die Erfahrung eines Mangels macht unsere Herzen empfindsam für andere und entwickelt erwiesenermaßen Empathie. Oft geben uns Verlust und die dadurch entstehende Leere erst den Raum, unsere Kreativität und Schöpferkraft zu entfalten. Unser Blick wird frei für die „Zusatzmöglichkeiten“ in unserem Leben. Das ist nicht nur die Geschichte einer einzelnen Person, sondern die Geschichte der Menschheit, ja sogar die Geschichte jeder Evolution.

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Die sieben Qualitäten des Hanuman

Vielleicht wäre es einfacher, gegen alle Gefühle wie Trennung, Verlust, Schmerz, Ohnmacht und Unvollständigkeit einfach immun zu werden, aber mit Sicherheit nicht fruchtbringender. Erst wenn wir lernen diese Unfertigkeit zu ertragen, können wir Schöpfer und Schöpferinnen unseres Lebens werden. Und nur so haben wir die Chance besondere Qualitäten, die Qualitäten Hanumans, zu entwickeln:

1. Kraft

Hanuman springt mit einem Satz nach Sri Lanka und versetzt Berge! Was machen wir nach einer Trennung? Ab- oder Zunehmen, zum Friseur gehen, shoppen ... Das sind zwar alles immerhin Anfänge, aber auch nicht mehr als das. Nutzen wir die Kraft doch, um vom Berggipfel in die Weite der Leere hineinzuschauen. Denn erst wenn wir den Raum entdeckt haben, kann er mit Neuem gefüllt werden.

2. Willen

Hanuman überlegt nicht lange: er will nach Sri Lanka, nimmt Anlauf und springt los. „Gut“ wirst Du jetzt sagen „erstens bin ich kein Affe, zweitens würde ich ganz schön auf die Nase oder ins Wasser fallen und drittens ist es ein Epos“. Trotzdem: mache Dir klar, was Du willst. Was Du wirklich willst. Du bist Dir nicht sicher? Dann wirf eine Münze. Wenn die Münze in der Luft ist, weißt Du die Antwort.

3. Geschicklichkeit

Hanuman führt ein Heer von Affen an, das sich vor dem Ozean fürchtet. Wie also soll er auf die Insel kommen? Mangel und Unvollständigkeit machen Platz für Kreativität. Kennst Du die Situation in der Du zu wenig Zeit, Geld oder andere Ressourcen hast? Sie schult unsere Achtsamkeit und Wertschätzung, folglich auch unsere Geschicklichkeit. Vielleicht gelingt nicht alles beim ersten Mal. Aber ganz bestimmt wirst Du mit jedem Versuch reicher an Erfahrung und eben auch an Geschicklichkeit.

4. Hartnäckigkeit

Wenn es leicht geht, ist es dann das Richtige? Nicht zwangsläufig. Ich denke, wenn man von Herzen überzeugt ist, etwas realisieren zu müssen, sollte man es zumindest drei Mal probieren. Dann ist eine Feedback-Schleife angesagt. Vielleicht ist der eingeschlagene Weg nicht ganz optimal gewählt. Und dann gilt immer noch: Um richtige Entscheidungen zu treffen, müssen wir oftmals auch Fehler hinter uns lassen können.

5. Offenheit

Hanuman hat Sita nicht, wie sein Herr Rama, nur in Indien gesucht. Er war offen und fand sie schließlich in einem anderen Land. Oft existiert ein „anderes Land“ in unseren Gedanken (noch) gar nicht. „Lass los und schaffe Raum für etwas Neues“ – schnell gesagt, schwer umgesetzt. Es ist wichtig sich bewusst für neue Sichtweisen zu entscheiden. Damit meine ich jetzt nicht, sich nur das 3. Auge öffnen zu lassen. Öffnung braucht in meinen Augen durchaus Kraft, Arbeit und geht mit Punkt 4 Hand in Hand!

6. Vertrauen

Vertrauen ist ein Geschenk, das man in jedes neue Projekt, in jede neue Beziehung mit einbringen darf. Und Vertrauen überlebt Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit, die im Leben entstehen können. Jeder Mensch darf darum auf eine höhere Kraft (oder wie immer man sie auch sonst bezeichnen mag) vertrauen, die neue Möglichkeiten und Hilfe bringt.

7. Hingabe & Liebe

Hanuman wird oft mit aufgerissener Brust dargestellt – im Herzen sein Herr Rama und seine Herrin Sita. Hingabe braucht jede Menge Herzblut und gleichsam Mut zur Verletzlichkeit.

 

Lerne die Hingabe an den Verlust

Abschließend will ich vor allem sagen: wir können noch so viel Yoga machen, noch so viel vertrauen und noch so sehr unser Herz öffnen – unser Leben wird niemals völlig frei von Verlust, Leere oder Verlorenheit sein. Doch der Weg des Yoga, Vertrauen und ein offenes Herz können uns dabei helfen, mit diesen scheinbar negativen Aspekten des Lebens anders umzugehen und dadurch eben jene „Zusatzmöglichkeiten“ geschenkt zu bekommen. Lerne die Leere lieben, lerne die Hingabe an den Verlust und du wirst sehen: das, was einem unüberwindbaren Sprung gleicht, kann dir das bescheren, wonach du lange gesucht hast.

Wenn Dir Hanuman und seine Qualitäten als erstrebenswert gelten, dann könnte für Dich unser Online-Yoga-Programm die "Tage der Liebe" interessant sein. Das sind 11 Tage Yoga-Praxis zu den verschiedenen Aspekten der Liebe und tägliche kleine Aufgaben, die sogenannten Acts Of Kindness, die Dir eine Inspiration sein sollen, Dein Yoga-Gefühl auch in die Welt hinaus zu tragen.

Zu unseren Programmen

Der bei uns im Westen bekannteste Devotee Hanumans ist wohl Krishna Das. Er ist immer mit rotem T-Shirt zu sehen (die Farbe von Hanumans Hose) und hat die Hanuman Chalisa – eine 40-strophige Hymne an Hanuman – bei uns populär gemacht.

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Birgit Pöltl

Spezialistin für Anusara Yoga und Herausgeberin der YogaZeit

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