Abnehmen mit Yoga?
von Melanie Müller (Gastautorin) in Gesundheit

Der Sommer bringt einige Dinge unvermeidlich mit sich: Zum Beispiel Eiscreme, Open Air Festivals, Sonnenbrillen, Fernweh, Flip Flops, Stechmücken, Erdbeeren und Hormoncocktails. Für die meisten Frauen gehört dazu in der Regel auch der schon im Frühling aufkeimende Stress rund um die erwünschte Bikini Figur. Und so wimmelt es bald überall von Diät-Tipps zum Abnehmen, Anti-Cellulite-Wundermittelchen und Last-Minute-Workouts.
 
Wer denkt, dass Yoginis von diesem Thema verschont bleiben und gelassen abwinken, wenn es um derartige Oberflächlichkeiten geht, der wird leider bitter enttäuscht:

Selbst in der Yogawelt wird zur Bikini Challenge getrommelt, hart am Yogi-Knackpo gearbeitet und die Saft-Diät erlebt ihr Comeback unter dem hipperen Deckmäntelchen der Detox-Kur. Statt Heidi Klum oder Alessandra Ambrosio eifert man hier eben scheinbar perfekt geformten und hyperbeweglichen Instagram-Stars wie Kino MacGregor oder Kerri Verna nach, die sich vorzugsweise im Bikini an traumhaften Stränden verbrezeln.

Germany’s Next Yogini: schlank, jung, hellhäutig & sehr beweglich

Allmählich ist es nicht mehr von der Hand zu weisen, dass auch die Yoga-Community ihren Teil dazu beiträgt, Druck auf Frauen und ihr Körperbild auszuüben. Der perfekt geformte, sexy biegsame „yoga body“ ist zum Stereotyp geworden. Und für immer mehr Frauen ist er das heiß ersehnte Ziel, das es durch eine konsequente, schweißtreibende Praxis und disziplinierte Challenges zu erreichen gilt. Sie suchen die passende Asana-Routine fürs Abnehmen. Genau wie in der Mainstream-Kultur und in zahllosen, konsumfördernden Frauenmagazinen werden hier Beautystandards gesetzt, die uns eines ganz deutlich vermitteln: Wir können nicht so bleiben wie wir sind. Wir müssen uns verändern, verbessern, optimieren. Dann – so die verführerische Zielvorstellung – werden wir nicht nur gesünder sein und länger jung bleiben, sondern auch glücklich, begehrt, bewundert, geliebt.

Mit Yoga abnehmen?

Doch passen Yoga und Abnehmen zusammen? Wie viel hat so ein Workout noch mit der jahrtausendealten Weisheitslehre zu tun? Aus meiner Sicht ziemlich wenig. Schon bei Patanjali erfahren wir, dass es zu den Ursachen des Leidens (klesas) gehört, das Vergängliche mit dem Beständigen zu verwechseln (avidya) und uns zu sehr mit unserem Körper zu identifizieren; etwas haben zu wollen, in dem (Irr-)Glauben, es würde uns glücklich machen oder das abzulehnen, was jetzt hier präsent ist.

Und wenn Yoga uns zur Verbundenheit führt – warum schließt das öffentliche Bild davon so viele Menschen aus? Warum sind die älteren, molligen oder körperlich eingeschränkten Yoginis in den Medien nahezu unsichtbar? Warum ignorieren wir, dass wir Menschen eine wunderbare Vielfalt von Individuen sind – was eben auch bedeutet, dass nicht jeder Frau eine schweißtreibende Vinyasa-Praxis oder eine Detox-Kur mit viel rohem Grünzeug gut tut und nicht jede Hüfte gleich weit „geöffnet“ werden kann?

Mit Yoga aufblühen statt abnehmen

Doch der Yoga kann nichts dafür, was wir aus ihm machen. Und das Wunderbare ist, dass er uns auch den Weg aus diesem Dilemma heraus weist. Wenn wir uns nämlich auf seine Essenz besinnen, dann erkennen wir, dass wir in jedem Moment bereits vollkommen sind – mit all unseren Makeln und Begrenzungen. Indem wir auf der Matte lernen, unseren Körper von innen her wahrzunehmen, mit ihm Freundschaft zu schließen und seinen zarten Signalen zu lauschen, beginnen wir, ihn wirklich zu bewohnen anstatt ihn zu objektivieren, zu bewerten und zu unterwerfen. Allmählich wird dann das, was uns gut tut, wichtiger als das, was gut aussieht. Durch eine Asana-Praxis, die eben kein Workout ist, lernen wir sanft, achtsam und liebevoll mit uns selbst umzugehen. Wenn das bedeutet, dass wir ein paar Kilos durch Yoga abnehmen, weil wir uns so vitaler fühlen und gesünder leben, gut. Aber wir tun es dann nicht mehr für jemand anderen oder um kranken Maßstäben zu genügen.

Yoga, ein Weg zu einem gesunden Körper UND Geist

Wir sollten also nicht unseren Körper verändern, sondern unsere Geisteshaltung. Dann können wir die Gedanken an unsere schlaffen Oberarme oder die knackigen Kurven unserer Matten-Nachbarin als solche erkennen und wieder loslassen. Wir können uns vergeben, dass unsere Oberschenkel eben nicht gephotoshopt aussehen. Vielleicht lachen wir dann eines Tages sogar darüber, dass wir dachten, dass sich innere Zufriedenheit über die Modellierung unserer äußeren Hülle erreichen lässt.

A.G. Mohan, ein Schüler des großen Lehrers T. Krishnamacharya, sagte kürzlich in einem Interview zu mir: „Wenn du nach einer Challenge suchst, dann such sie bitte woanders. Denn im Yoga den Körper über seine Grenzen zu pushen oder gegen ihn zu kämpfen, wird ihn letztlich ruinieren.“ Nur wenn uns eine Yogapraxis in einen ruhigen, ausgeglichenen, sattvischen Geisteszustand bringt, ist sie angemessen und gut gewählt. Von einem knackigen Po oder einem Sixpack war niemals die Rede.

Yoga is for every body

Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich nicht auch jeden Sommer mindestens einmal stirnrunzelnd im Bikini vor dem Spiegel stehe. Yoga ist für mich aber vor allem ein Weg, damit liebevoll umzugehen und mich immer mehr genau so anzunehmen wie ich bin. Denn nichts ist schöner und anziehender an einer Frau als eine selbstbewusste Ausstrahlung. Ich halte mich also dieses Jahr an ein bekanntes Meme, das seit einiger Zeit durch das Web geistert und auf dem steht: „How to get a bikini body: Put a bikini on your body.“ Fertig.

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Melanie Müller (Gastautorin)

Melanie Müller ist freie Journalistin und Yoga- und Achtsamkeitslehrerin in Salzburg. Den Kontakt zu ihr findest Du über ihre Website: derachtsameweg.com

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Kommentare 

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Susanna

Toller Artikel, Melanie, danke! Als ich mit Yin-Yoga anfing, war es eine Riesenüberwindung für mich, 3x die Woche für 30 Minuten "nichts" zu tun. Zu groß war die Furcht davor, fett zu werden, wenn ich meinen Körper nicht genügend fordere. Irgendwann hab ich geschnallt, was für ein irrer Stress mich da antreibt und konnte mich dem Yin ergeben. Tatsächlich verlor ich von mehreren Monaten konsequentem "Herumliegen" ein paar Kilo und wuchs um 2 cm. Schon paradox, oder?! Das waren einfach der Stressspeck und die Stressverstauchung, die von mir abfielen...

Verfasst am 22.06.2018 um 11:08

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