Mein Leben im Ashram - Ein Erfahrungsbericht
von Steffi Maitri Witte in Inspiration

Fernweh wegen Reiseverbot? Wenn du gerade eine Sehnsucht nach fernen Orten hast, weil wir uns örtlich nicht bewegen können, dann möchten wir dich jetzt mit einer bildreichen Reise nach Indien entführen, in die Wiege des Yoga und in einen kleinen Ashram am Fuße des Himalayas...

Hari om, ich bin Maitri.

Ich begrüße euch mit der im Ashram gebräuchlichen Grußformel, die ausdrückt: "Aus meinem Herzen grüße ich das Göttliche in dir!“

Ich verbringe seit einigen Jahren immer wieder viel Zeit in einem kleinen Ashram in Indien. Heute möchte ich dich auf die Reise durch unseren Alltag mitnehmen, denn vielleicht hast auch du schon einmal davon geträumt, deinen Tag etwas anders zu gestalten.

Unser Leben hier in der spirituellen Gemeinschaft ist besonders wertvoll durch die Hingabe und Liebe, die in jedem Detail steckt, aber auch durch Traditionen und Routinen, die dem Tag Struktur geben und helfen, Klarheit ins Leben zu bringen.

Auch in Indien herrscht gerade wegen der Corona Epidemie der Lock Down, dennoch ist unser Alltag fast derselbe.

Ich befinde mich in einem kleinen, wundervollen Ashram im Norden Indiens am Fuße des Himalayas. Geleitet wird der Śri Santosh Puri Ashram mit viel Liebe von den Geschwistern Ganga, Mandakini und Alaknanda, deren deutsche Mutter in den 60ern nach Indien gehitchhiked ist und dort am Ganges auf ihren Guru traf, einen Naga Baba. Jetzt finden hier Yoga Ausbildungen, Retreats und Lehrer Trainings statt, bei denen ich assistiere.

Vier Uhr morgens

Es ist vier Uhr morgens, die Luft ist noch kühl, doch man merkt, dass wieder ein heißer Tag bevorsteht. Alles ist still im Ashram, die Bewohner, die Vögel, Kühe und Hunde schlafen alle noch... Fast alle - das Muschelhorn, das gerade erklingt, bringt das erste Erwachen, lädt die Götter zum Gebet ein mit dem Klang des AUM. Langsam kommen die ersten Ashrambewohner zum Meditieren an die Dhūni, die Feuerstelle, die seit mehr als 40 Jahren nie erloschen ist.

Dann fangen die Gesänge an, Mantras in Sanskrit, die den Ort schützen, das Göttliche in uns würdigen und uns in Harmonie in den Tag bringen. Der erste Chai nach dem Ārati, den gesungenen Gebeten, am Feuer schmeckt doch am besten! Es ist, als ob fast nichts anders ist... Fast, denn außerhalb des Ashrams sieht das Leben für die meisten Inder anders aus. Es fahren keine Tuck-tucks mehr, die Geschäfte sind geschlossen außer in den Morgenstunden, in denen eingekauft werden darf.

Die Straßen sind ruhig geworden ohne den gewohnten Trubel der indischen Kultur. Wahrscheinlich nicht anders als in Europa gerade – Indien befindet sich im Lockdown. Auch deshalb ist unser Ashram ein besonderer Ort.

Sechs Uhr morgens

Mittlerweile ist es 06.30 Uhr. Ich stehe am Ufer eines Seitenarmes des Ganga, des heiligen Flusses, der nur ein paar Meter entfernt hinter dem Ashram-Tor fließt. Still ist es, wundervoll. Der Blick geht zu den Bergen, die ersten Ausläufer des Himalayas, hinter denen gleich die Sonne aufgehen wird.

Ein kleines Gebet, eine Blume dem Fluss hingegeben in Dankbarkeit an diesen Ort. Zeit für die tägliche Yogapraxis. In der wärmenden Sonne sitzend, übe ich meine Pranayamas und meditiere. Danach Asana. Ich nehme wahr, dass das Leben langsam in den Ashram kommt, jeder geht seiner Aufgabe oder seiner Praxis nach, doch der Fokus bleibt bei mir.

Hier habe ich die Möglichkeit, mir diese Zeit für mich zu nehmen. Das ist gerade jetzt so wichtig. Bei sich bleiben, bei seiner Atmung. Sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Alle packen mit an

Als ich nach unten zur Küche komme, sitzen schon einige der Bewohner beim Gemüseschnippeln. Es ist etwas anders als normalerweise. Keine Arbeiter, die sonst immer in der Küche helfen, sind anwesend, da sie durch die Ausgangssperre nicht herkommen können. Aber alle packen mit an – jeder hat seinen Küchen- und Putzdienst. Es wird gefegt, gewischt, Wäsche gewaschen und was sonst alles so zu tun ist in einem Ashram. Eine kleine Gemeinschaft, zusammengewachsen in den schwierigen Zeiten des Virus. Ich reinige die Terrasse vor den Räumen, fege den Tempel und die Treppen.

Doch eigentlich hat sich nicht so viel verändert. Der Ashram ist wie eine kleine Oase im lauten Indien und so macht es mir gar nichts aus, nicht rausgehen zu dürfen. Ich bin sehr dankbar, dass wir hier an so einem wundervollen Ort eingeschlossen sind. Wir sind noch mehr dazu angehalten, gut miteinander umzugehen, uns abzustimmen und aufeinander acht zu geben. Das, was wirklich wichtig ist!

 

Herausforderungen im Ashramleben

Die Glocke ertönt und alle kommen im Speisesaal zusammen, singend wird das Essen verteilt und in Stille auf dem Boden sitzend verzehrt. Dannach ruhen wir ein wenig um zu verdauen, jeder hat nun Zeit für sich selbst. Dann kommen Einige zusammen, um zu malen oder sich auszutauschen über neueste Ereignisse. Denn auch hier im Ashram bekommen wir natürlich mit, was in der Welt vor sich geht. Dennoch ist die Stimmung sehr ruhig und gelassen. Es braucht Aufmerksamkeit, aber keine Panik. Da hilft die Yogapraxis und vor allem das Gelernte aus der Yogalehrerausbildung. Denn die meisten, die sich noch hier befinden, kamen für vier Wochen Ausbildung – und blieben durch den Lockdown.

Der Nachmittag

Es ist drei Uhr nachmittags und somit „Chai time“. In gemütlicher Runde wird schwarzer Gewürz-Tee getrunken. Auch die Arbeiter, die hier im Ashram leben, gönnen sich eine kleine Pause nach harter Arbeit im Garten, bei den Kühen oder im Wald.

Ganga, der Älteste der drei Geschwister steht in der Küche – glücklich, dass er jetzt einer seiner Lieblingsbeschäftigungen neben dem Lehren des Yogapfades und Gärtnern nachgehen darf: Dem Kochen. Er übernimmt die Abendschicht, um für uns alle ein fantastisches Essen zuzubereiten, während Mandakini und Alaknanda, seine jüngeren Schwestern, die Frühschicht übernehmen und einen umwerfenden Brunch zaubern. Die drei leben hier zusammen seit ihrer Kindheit. Nachdem ihre Eltern, Baba Santosh Puri und Mataji Narvada Puri, nach 10 Jahren des Lebens auf einer Insel neben dem Fluss Ganga den Ashram erwarben, wurden hier die drei Kinder geboren. Der Ashram war sehr simpel in früheren Zeiten. 

Nachdem Babaji 2001 in Samadhi seinen Körper verlassen hat, wuchs der Ashram nach und nach unter der liebevollen Hand von Mataji und den drei Geschwistern, so dass auch mehr Europäer und Leute aus dem Westen hier einen Ort der Stille und Hingabe finden konnten. Nachdem Mataji 2014 aus dieser Welt ging, führen die drei den Ashram, geben Yogalehrerausbildungen, ayurvedische Kochkurse und Ayurvedabehandlungen.

Zeit für sich Selbst und die Gemeinschaft

Mit meinem Chai sitze ich unter dem Bael- Baum, auch Śiva-Baum genannt, der direkt vor dem Tempel steht. Mein Blick geht in den Ashramgarten mit seinem vielen Grün, der zum Meditieren und Verweilen einlädt. Der heilige Fluss Ganga ist keine halbe Stunde entfernt, im Nationalpark neben dem Ashram. Wegen der Ausgangssperre dürfen wir zurzeit nicht in den Wald, aber das Rauschen des kleinen Seitenarms höre ich bis hierher. All die Vögel und Streifenhörnchen um mich herum machen ihre eigene Musik. Und wieder wird mir bewusst, wie dankbar wir für die kleinen Dinge im Leben sein dürfen.

Dann wird wieder gefegt, geputzt und mitgeholfen, wo es Unterstützung braucht. Geschirrwaschen, Ayurvedaräume schrubben, Decken wegräumen. 

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Der Abend 

Um fünf Uhr treffen wir uns zum Kirtan singen. Von Trommeln über Zimbeln ist alles dabei und auch das Harmonium darf nicht fehlen. Wir singen, chanten Mantras zusammen und sind nur im Klang, im Hier und Jetzt. Eine willkommene Routine in diesen turbulenten Zeiten.

Nach dem Abendessen um 18 Uhr endet der Tag mit dem Ārati. Nach dem zum Ausdruck bringen unserer Dankbarkeit an den Ashram, sitzen ein paar von uns in der Ganesha-Halle zusammen und chanten eine Mala – eine Gebetskette mit 108 Perlen.

 Lokaḥ samastaḥ sukhino bhavantu.

 Mögen alle Lebewesen in allen Welten glücklich und frei sein.

Das ist es, was wir tun können. Unseren Geist ruhig zu halten und Gebete für uns alle zu sprechen. Damit wir uns, wenn das alles vorüber ist, mit klarem Blick, offenen Herzen und noch mehr Mitgefühl und Liebe füreinander begegnen können. Die Veränderung passiert nicht da draußen – sie passiert in jedem von uns. Seht diese Krise als Chance, um Dinge in euch zu klären, Probleme bewusst zu machen und zu transformieren. Es ist eure Entscheidung, wie ihr mit der Situation umgehen wollt und welchen Nutzen sie euch bringen wird.

Es ist neun Uhr abends, ich sitze in meinem Bett, lasse den Tag Revue passieren, höre den magischen, nächtlichen Naturgeräuschen um mich herum zu und schlafe mit meinem Mantra ein.

Ich hoffe, ich konnte dir diese Welt ein wenig näher bringen und vielleicht sehen wir uns ja einmal am Fuße des Himalayas.

Mit Liebe,

Maitri

Wenn du mehr über das Leben in unserem kleinen Ashram erfahren möchtest, oder dort mal einen Retreat oder Yogaausbildung absolvieren magst, dann besuche die Webseite des Śri Santosh Puri Ashram. Auch das Video hier gibt dir einen schönen Geschmack von unserem Leben hier.

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Steffi Maitri Witte

Maitri ist Physiotherapeutin, Yogalehrerin und Heilpraktikerin aus Berlin und verbringt viel Zeit im Śri Santosh Puri Ashram im Norden Indiens am Fuße des Himalayas. Dort macht sie ihren Seva – das Dienen und die Hingabe an den Ashram, um sich mit dem Göttlichen zu verbinden - und assistiert die Yogalehrerausbildung.

Neben der Arbeit mit Menschen auf physischen und energetischen Wegen gehört dem Yoga ihr Herz als Weg des Lebens und Seins. Sie unterrichtet traditionelles Hatha-Yoga. Hier kannst du sie auf ihrer facebookseite besuchen. 

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