Trau Dich! Wie können wir mutiger sein?
von Nancy Krüger in Inspiration und Philosophie

Viele machen Yoga, weil sie sich wieder mit sich selbst verbinden wollen. Aber wieso fühlen wir uns nicht wie wir selbst? Meist fehlt uns im Alltag der Mut dazu, wir selbst zu sein. Wie wir das ändern können, erfährst Du hier.

Mut brauchen wir in vielen Lebenssituationen: Wenn es anders kommt als geplant, wenn Veränderungen anstehen oder wenn wir etwas Neues wagen.  

Und dann gibt es da noch diesen ganz bestimmten Mut, den wir jeden Tag benötigen. Der Mut für uns selbst, so wie wir sind, einzustehen, statt uns für andere zu verdrehen. Haben wir davon zu wenig, werden wir uns selbst fremd. Wer wir sind, ist dann plötzlich etwas, das wir wieder neu herausfinden müssen. 

Um uns selbst wieder besser kennenzulernen, müssen wir lernen mutiger zu sein bzw. herausfinden, wann und warum wir aufgehört haben, mutig zu sein.  

Dazu müssen wir uns zunächst einmal bewusst machen, was Mut überhaupt ist.

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Was ist Mut eigentlich?

Drei Gedanken dazu: 

1. Ohne Angst kein Mut. 

„Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Erkenntnis, dass Etwas wichtiger ist, als Angst.“ (Ambrose Redmoon)  

Wenn wir mutig sind, überwinden wir unsere Furcht vor etwas. Vor was wir uns fürchten, ist unterschiedlich. Manche haben Angst vor Spinnen, Prüfungen und der Liebe. Andere haben Angst vor Krankheit, der Zukunft oder davor, anderen nicht zu gefallen. 

Wir fürchten uns oft vor Veränderungen. Davor, etwas Neues zu beginnen. Davor, etwas Sicheres, Altes, Gewohntes hinter uns zu lassen, so wie eingefahrene Verhaltensweisen. Mut ist anzufangen, Mut ist den ersten Schritt zu wagen. Mut ist die Empfangsbereitschaft auf neuen Frequenzen.

2. Mut ist, auch bei Rückschlägen durchzuziehen. 

„In diesem Leben ist jeder mutig, der nicht aufgibt.“ (Paul McCartney)  

Was auch immer wir anpacken, es kommt der Punkt, an dem wird die Sache unbequem, etwas läuft nicht wie geplant, das Umfeld reagiert ablehnend, ein neues Verhalten trägt nicht die erwarteten Früchte.  

Stetige Disziplin, auch Abhyasa im Yoga genannt, lehrt uns, unsere Komfortzone zu verlassen und durch Rückschläge nicht den Glauben an unser Tun zu verlieren.  

Ein Feigling denkt in herausfordernden Momenten mit den Beinen. Wer mutig ist, benutzt sie, um fest verwurzelt für seine Überzeugung einzustehen. 

3. Mut liegt zwischen Demut und Hochmut. 

„Zwischen Hochmut und Demut steht ein drittes, dem das Leben gehört, und das ist der Mut.“ (Theodor Fontane)  

Demut 

Lebendig sein hat mit Mut zu tun, denn ohne Mut gibt es keine Erfahrung und Entwicklung. Davor kommt eine verfälschte Form von Demut, in der wir die Dinge als unveränderlich wahrnehmen und dadurch unsere persönlichen Handlungsspielräumen nicht nutzen. Ursache dafür ist ein Ego, das im Guna (der Eigenschaft) Tamas, der Trägheit, feststeckt. 

Dominiert Tamas unser Ego, kann es seinen Job nicht machen und hemmt dadurch die persönliche Weiterentwicklung. Wir verweilen dann immer am selben Fleck, fühlen uns minderwertig und wundern uns, dass unser Horizont enger statt weiter wird. 

Hochmut 

Der Gegenpol zur Demut ist der Hochmut und damit verbunden Überheblichkeit. Wir denken, wir kennen die Wahrheit und in der Welt gäbe es nichts Neues mehr zu entdecken. In diesem Zustand prägt das Guna Rajas unser Ego, die Getriebenheit. 

Es ist getrieben von der Vorstellung, dass wir der größte Mensch in einem Raum sein müssen. Dies setzt voraus, dass wir andere klein machen müssen und so tun müssen als gäbe es für uns nichts mehr von anderen zu lernen.  

Durch diese geistige Überzeugung kommen wir ebenfalls nicht in Bewegung und benötigen demnach auch keinen Mut. Das Mutigste daran ist oft eine große Klappe. 

Mut 

Die Mitte zwischen Demut und Hochmut ist der Mut. Er resultiert aus dem Guna Sattva, das von Klarheit getragen ist. In dieser Mitte findet das blühende Leben statt, mit all seinen Entdeckungsmöglichkeiten und Wundern.  

Ohne Mut sind wir innerlich regungslos und unser Profil gleicht einer graden Linie. Unsere Herzfrequenz lebt aber von der Schwingung.

“Am mutigsten sind wir bis zum Alter von 7 Jahren und wenn wir Falten bekommen.”

Sagt Autorin und Coachin Caroline McHugh auf die Frage: Wann im Leben sind wir am mutigsten? 

Bevor wir 7 werden, sind wir grandios darin, wir selbst zu sein. Und das ist das Mutigste im Leben überhaupt. 

Im Yoga Sutra 1.3 heißt es: „Dann ruht der Sehende in seiner Wesensidentität.“ (Bäumer) Dies ist das oberste Ziel von Yoga. 

Vor dem Alter von sieben Jahren haben wir keine Ahnung, wie wir uns verstecken könnten und wie wir unsere Persönlichkeit zurückhalten. Wir sagen, was wir denken, was wir wollen und laufen nackt am Strand herum. Wenn man eine Gruppe von 4-jährigen fragt „Wer ist am stärksten?“, zeigen alle überzeugt auf. Wenn man eine Gruppe von 7-jährigen fragt, dann zeigen Kinder auf jemanden. Zu diesem Zeitpunkt wissen die Kids, wer stark ist, wer lustig ist und wer schnell rennt.  

Unser Mut schrumpft in dem Moment, wo wir uns mit anderen vergleichen 

Zwischen 5 bis 8 Jahren entwickeln wir ein „Selbstbewusstsein“. Ab da beginnen wir, weniger gut darin zu sein, wir selbst zu sein. Wir entwickeln soziale Archetypen und vergleichen uns. Wir lernen durch z. B. die Schule oder Eltern, worin wir nicht gut sind und was wir uns besser nicht zutrauen sollten. 

Der Mut, man selbst zu sein, wächst mit den Falten 

Der zweite Mut begünstige Lebensabschnitt ist, wenn mehr Sommer hinter uns liegen als vor uns. Wenn wir tiefe Falten bekommen, scheren wir uns einen Dreck um Anpassung. Wir haben nicht mehr genug Zeit dafür. Alles wird intensiver und unser Geist wird bestenfalls fokussierter auf das Wesentliche. Der Illusion, dass wir Zeit hätten, erliegen wir nicht mehr. Wir werden ehrlicher, gehen nicht mehr auf jede Party und gehen weniger Kompromisse ein. Wir haben keine Lust mehr, es allen recht zu machen.  

Wir nennen solche Menschen exzentrisch. Genauer betrachtet, sind sie authentisch.  

Was ist nun aber mit der Zeit dazwischen? 

Zwischen 7 und 90 Jahren sind wir Schauspieler*innen 

Ian McKellen (bekannt als Gandalf in Der Herr der Ringe) lehrt im Schauspielunterricht, man solle sich seine Mitmenschen ansehen, wenn man sich etwas von guten Schauspielern abschauen will. Dann sehen wir, dass die Leute nicht einmal die Kleidung tragen, die sie mögen. Sie fragen sich Frühs, was heute auf dem Programm steht, und mit welcher Kleidung sie am besten hineinpassen. 

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Wie können wir auch in der Lebensmitte mutig sein?

Der mutige Zustand zwischen Demut und Hochmut ist unabhängig von anderen Menschen. In dieser Unabhängigkeit gedeiht Integrität. Wir reden bei Mut auch von Selbstüberwindung, aber im Grunde ist es das Gegenteil: Der Versuch, man selbst zu sein!  

Dazu müssen wir uns trauen, Dinge anders zu denken, anders zu tun, an unsere Visionen zu glauben, an uns selbst zu glauben, uns von Zurückweisung nicht ablenken zu lassen, Gewohnheiten zu ändern, Entscheidungen autonom zu treffen - und nicht nur mit Blick darauf, was andere von uns erwarten. 

Mit Angst ins Abenteuer 

Wenn man nun aber wie Kolumbus auf den unerforschten Ozean hinausfährt, kommt Angst auf, denn man weiß nie, was geschehen wird. Man verlässt das sichere Ufer, obwohl es einem dort eigentlich ganz gut ging. Nur eines fehlte: das Abenteuer. 

Mut ist nicht für alle Menschen gleichermaßen eine Lebensmaxime. Bei manchen kitzelt aber hier und da ein Verlangen im Herzen und dem zu folgen ist jede Reise wert. Die Angst ist zwar oft Begleiter dieses Kitzelns, doch wenn wir uns der Herausforderung immer wieder stellen, verschwindet sie allmählich. Es wächst der Mut mit der Gelegenheit, heißt es.  

Wir müssen uns bewusst machen, dass wir uns in jedem Moment, in dem wir die Angst über den Mut siegen lassen, wertvolle Erfahrungen stehlen.  

Wozu ist das Leben aber da, wenn nicht dazu, Erfahrungen zu machen?  

Krishna sagt zu Arjuna in der Bhagavad Gita: 

„Ich weiß, Du bist überrascht, dass ich Dir gegenüber keinerlei Bedauern zeige, aber Du darfst dieser Schwäche nicht nachgeben! (…) Befreie Dich von dieser Kleinmütigkeit.” (Hawley) 

Diese Befreiung erfordert unsere Geduld, Beharrlichkeit und unsere Willenskraft.  

Mut ist ein Keim, den jeder in sich trägt. Wir entscheiden uns jeden Tag aufs Neue, ob wir ihn wässern oder nicht.  

Man bereut im Leben bekanntlich nur die Dinge, die man sich nicht getraut hat. Also hol Deine Gießkanne raus und auf ins Abenteuer! 

Teile mich auf:

Nancy Krüger

Nancy liebt Pünktchen, Zitronen, Tanzen und das Leben. Sie ist Autorin für praktische Yoga Philosophie, medizinisch ausgebildete Hatha Vinyasa Yogalehrerin und leitet eine renommierte Yoga Ausbildungsschule mit dem Schwerpunkt Persönlichkeitsentwicklung in Wien.

Mehr über Nancy findest du auf ihrer Website: https://www.yogalehrerausbildung.wien

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Kommentare 

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Tanja

Super Artikel! Merci!
Ich glaube, dass auch viel von der Erziehung abhängt. Kindern etwas zu zu trauen, hilft, sie mutiger für das Leben zu machen.
Als Erwachsener schwimmen wir halt oft mit dem Strom und vielleicht als Frau manchmal noch etwas schwieriger wir selbst zu sein. Oft ist man dann gleich eine, die die Hosen an hat oder wir werden dann als "zickig" bezeichnet.

Verfasst am 18.05.2023 um 17:38

Johanna

Danke für diesen Input liebe Nancy! Toll geschrieben und sehr inspirierend. Ich nehme mir einiges mit :)
Alles Liebe, Johanna

Verfasst am 18.05.2023 um 08:34

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